Wenn keiner anruft, ist alles gut.

Der erste Trip ohne Eltern ist aufregend. Nicht nur für die Kinder. Denn so wenig wir es uns eingestehen wollen, loslassen fällt manchmal erst dann schwer, wenn man es muss.


Es ist Freitag Nachmittag, alles ist gepackt. Skier und Skiklamotten sind mit Namensaufklebern versehen, wir haben nochmal alles gemeinsam abgesprochen und den Koffer auf seinen Inhalt kontrolliert. Lotta ist ganz ruhig und fröhlich, während mir auf der Fahrt zum Busbahnhof die Pumpe geht: Mein großes Mädchen, meine Erste, fährt für zwei Nächte ohne uns auf Skiausfahrt mit dem Skiclub. In meinem Kopf geistern bereits jetzt tausend Fragen herum. Wird sie Anschluss finden? Hat sie nette Zimmergenossinnen? Kann sie ihre Skischuhe überhaupt selbst zuschnallen? Und wird sie Heimweh bekommen ?

Am Treffpunkt wartet schon der Bus, Lotta findet sofort einige Mädchen in der Menge, die sie flüchtig kennt. Ich steh da und wink typisch peinlich (wie Mamas das eben so machen) während Lotta eine Grimasse zieht, die mehr sagt als 1000 Worte, begleitet von der eindeutigen Geste „Mama, du bist so peinlich“. Ich bin stolz über diesen Abnabelungsprozess und doch auch irgendwie traurig. Ein ungutes Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. 2 Tage kein Kontakt zu meiner Tochter. Und damit meine ich wirklich KEINEN, denn auf dem Flyer der Skiausfahrt stand in großen roten Buchstaben „Handys, Videospielkonsolen und Ipads etc. sind absolut untersagt und werden sofort von den Betreuern eingesammelt“.

Bis dahin fand ich das auch so richtig gut. Wir sind in einer Welt, die einen täglichen Medienkonsum fast vorgibt. Das fängt bei Wetterberichtet für den Tag an, geht über diverse Whatsapp-Gruppen für Veransataltungen etc bis hin zu unserem täglichen Social-Media Update um zu gucken, ob sich die Welt denn auch noch dreht. Wir sind es gewöhnt, wurden quasi darauf konditioniert für alles eine Bestätigung zu erhalten. Geht eine Nachricht an die beste Freundin, checkt man bei längerer Antwortdauer schnell, ob die Häckchen hinter der Nachricht blau sind. Sind die Kinder auf Spielverabredungen bekommt man ungefragt Bilder von besonders herzigen Augenblicken. Wir verfolgen unsere Pakete bis zur Haustür und werden daraüber benachrichtigt wieviel Geld wir gerade mit unserer Revolut-Karte ausgegegben haben.

Versteht mich nicht falsch, das sind fantastische Neuerungen und ich benutze viele davon selbst, und doch fühlt man sich nicht komplett, wenn einem genau das auf einmal dann untersagt wird. In einem Gespräch mit meiner Mutter sprach ich daraufhin meine Sorgen an. Was ist, wenn Lotta etwas passiert ? Wie kann ich sicher sein, dass es ihr gut geht ?

Mamas Antwort darauf : „Wenn keiner anruft, ist wohl alles gut“.

Früher als wir Kinder waren und auf Klassenfahrt fuhren, riefen wir, wenn überhaupt, nämlich einmal während der 5 Tage von der Telefonzelle aus zu Hause an. Das wars. Und unsere Eltern haben sich sicherlich gefreut, waren aber auch nicht über die Maßen besorgt, dass es eben nur dieses eine Telefonat gab. Und genau darauf habe ich versucht mich zu besinnen.

Natürlich waren mein Mann und ich trotzdem sehr aufgeregt und nervös und überlegten am Samstag abend, was unsere große Dame jetzt wohl gerade machen würde und ob sie wohl schon vor Heimweh geweint hätte. Und auch auf der Fahrt zum Treffpunkt am Sonntag wollten wir um jeden Preis früh genug da sein, um sie empfangen zu können und unser kleines wahrscheinlich schluchzendes Lottchen, das wohl als erstes aus dem Bus steigen würde, in unsere Arme schließen zu können. Als der Bus dann endlich kam und wir schon bereit standen, kam Lotta, begleitet von ihren neuen Freundinnen, als eine der letzten aus dem Bus, winkte uns kurz zu und schlenderte dann in Richtung Kofferraum mit den Worten „Hallo Leute, ich muss jetzt erstmal meine Skisachen holen.“

Jaja, wenn keiner anruft, dann ist wohl einfach alles gut.

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