Maditchen ist Langschläferin. Schon seit sie auf der Welt ist. Schon sehr früh hat sie durchgeschlafen und war im Vergleich zu ihren Altersgenossen morgens erst recht spät wach. Daran hat sich auch in den letzten 6 Jahren wenig geändert. In den Kindergarten kam sie morgens meistens gerade noch rechtzeitig, am Wochenende war sie gegen halb zehn dann mal ansprechbar. Weckten wir sie zu früh, musste man mit einer äußerst schlecht gelaunten Königstochter rechnen. Um so kritischer sahen wir dem Schuleintritt unseres Dornröschens entgegen.
Zur Vorbereitung auf die kommenden Monate hatten wir bereits im Frühjahr angefangen, über einen Stempelplan komplikationsloses Aufstehen zu belohnen. Immer, wenn Madita es schaffte innerhalb von einer Viertelstunde nach dem Wecken von selbst aufzustehen, gab es einen Belohnungsstempel, nach 5 Stempeln durfte sie eine Nacht bei uns im Bett schlafen. Doch irgendwann funktionierte das System nicht mehr so, wie es sollte. Dornröschen kam einfach schon heimlich in der Nacht in unser Bett geklettert und ließ sich am Morgen selbst mit den liebsten Küssen nicht aus ihrem hunderjährigen Schlaf erwecken.
Über die Sommerferien schafften wir es, das Aufstehproblem erfolgreich zu verdrängen. So richtig präsent wurde es uns erst wieder kurz vor Schulbeginn. Ich erklärte Madita nocheinmal wie wichtig es ist, morgens gut aufzustehen und gemeinsam arbeiteten wir einen Dornsröschen-Masterplan aus, der ihr helfen sollte, morgens mehr Motivation zum Aufstehen zu haben.
Schritt 1 ist das Aussuchen der Kleidung schon am Abend zuvor. Da für Madita jeder Tag ohne Rock oder Kleid ein verlorerner Tag ist und sie selbst schon sehr genaue Vorstellungen von ihrer Kleiderwahl hat, suchen wir ihre Kleidung bereits abends gemeinsam heraus. Dabei ist die Zusammenstellung manchmal ziemlich verrückt, aber da sie es ja schließlich in der Schule trägt und nicht ich, lasse ich ihr sehr viele Freiheiten und achte nur darauf, dass es den Wetterbedingungen wenigstens halbwegs entspricht.
Schritt 2 ist einfach etwas mehr Zeit einzuplanen. Ich weiß, dass Madita einfach viel länger benötigt, um wach zu werden. Daher stehe ich entgegen meiner eigenen Gewohnheiten jetzt auch früher auf, obwohl es mich auch immer sehr viel Überwindung kostet. Aber bei der Abwägung entweder eine schlechtgelaunte Prinzessin ertragen zu müssen oder sich kurz aus dem warmen Bett zu quälen, kommt mir die Idee der schlechtgelaunten Prinzessin so blöd vor, dass ich dann doch lieber freiwillig aufstehe.
Schritt 3 ist das richtige Lied zum Aufwachen. Madita hat beschlossen, dass nur ein gutes Lied sie so richtig sanft aufweckt. Dabei hat sie sich selbst für das Lied entschieden. Also ist meine erste Amtshandlung in den königlichen Gemächern jeden Morgen die Toniebox einzuschalten und das Stachelschweinlied vom „Unter meinem Bett“-Tonie so schnell wie möglich zu finden. Ich stelle die Box neben ihr Bett, öffne schon mal die Jalousien und gehe erst einmal wieder aus ihrem Zimmer, um sie so wenig wie möglich unter Druck zu setzten. Genau jetzt ist es gut, etwas mehr Zeit eingeplant zu haben. Meistens nutze ich die Zeit, um schnell nach Lottchen zu schauen, die eigentlich gar keine Probleme mit dem Aufstehen hat, sicher aber auch etwas Beachtung braucht.
Bei Schritt 4 setzte ich mich jetzt zu Maditchen aufs Bett und erkläre ihr, dass es jetzt Zeit ist, aufzustehen. Die Kleidung liegt schon bereit und ich helfe meiner schlaftrunkenen Prinzessin beim Ankleiden. Es ist nicht so, dass sie physisch die Hilfe bräuchte. Sie zieht sich schon sehr lange selber an. Es ist vielmehr eine Art Zuneigungsbekundung und Kuschelzeit, in der ich entliche Umarmungen vergebe und auch bekomme. All das macht es für Madita zu einem gelungenen Start in den Tag.
Mit diesem Masterplan fahren wir seither recht gut und können alle gemeinsam entspannt in den Tag starten. Ob es immer so bleibt, bezweifle ich. Aber das Leben wäre ja auch langweilig, wenn alles immer seine gewohnten Bahnen ginge.